Montag, 6. Februar 2012

Der Freikorporal bei Markgraf Albrecht (1721)

Gustav Freytag verbindet einen Bericht aus dem Sachsen und Polen Augusts des Starken mit einem aus dem Preußen des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I..
Um das Interesse des Lesers und die Dramatik des Geschehens zu erhöhen, setzt er nicht nur zwei Liebesgeschichten, sondern auch das Motiv der unbedingten Opferbereitschaft für den Freund ein, wie wir es aus Schillers Bürgschaft kennen. Nur sind es Brüder, die beide bereit sind, sich für den anderen zu opfern, und zusätzlich besteht eine Zeit lang eine Rivalität zwischen ihnen.
Um die negativen Seiten der Herrschaft des Soldatenkönigs zu zeigen, lässt er den Sachsen August König freiwillig in preußische Dienste treten und dabei die Schrecken absoluter militärischer Unterordnung und des Rekrutierungssystems kennen lernen. Doch gerade als August höchst negative Erfahrungen mit dem System gemacht hat, trifft er auf einen hilfreichen Zivilisten, der seine Vorzüge herausstellt:
»Ich glaub's wohl«, sagte der Wirt, »denn manchen trifft es hart und grausam. Jedoch dazu sind wir alle da, die einen zahlen die Steuern, während die anderen marschieren, damit die Fremden Respekt vor uns behalten. Als mein Großvater jung war, hausten die fremden Kriegsvölker hier am Orte wie Mordbrenner und Kannibalen, und die Bürger wurden wie die Hunde erschlagen, von den Weibern und Kindern gar nicht zu reden. Als aber mein Vater jung war, hieben wir Brandenburger den Schweden, der sich noch einmal ins Land gewagt hatte, mit unseren Fäusten hin aus; seitdem haben wir Sicherheit, unsern Weibern wird keine Schmach mehr angetan, und unsere kleinen Kinder werden nicht mehr unter die Hufe der Pferde geworfen. Wenn nur von den Herren Offizieren Billigkeit geübt wird, so ist die Last für das Volk zu ertragen. Unsere Landeskinder, soweit sie wirklich eingezogen werden, dienen nicht gar lange und kommen klüger nach Hause zurück, als sie gegangen sind. Ich denke, es ist bei uns in Stadt und Land, obgleich wir viele Soldaten unterhalten, mit der Nahrung und mit dem Verdienst nicht schlechter bestellt als bei Ihnen in Sachsen oder anderswo in Deutschland. Denn unser König führt einen schweren Stock, aber er sorgt auch wie ein Vater für die Blauen und für uns andere in Hemdsärmeln.«
August freute sich über die kluge Rede, denn auch er fühlte zuweilen [1120] wieder den Stolz eines Preußen, ... (G. Freytag: Der Freikorporal bei Markgraf-Albrecht, Kapitel Alles verwandelt", S.1119/20)
Die Verhältnisse in Polen lässt Freytag den Kandidaten der Theologie Friedrich König erleben und er bietet ihm (als Erzähler) die Möglichkeit, sie dem Soldatenkönig vorzutragen:

»Was habt Ihr sonst in Thorn gesehen?« fragte der König. »Erzählt geradeaus und ehrlich.«
Friedrich begann seinen Bericht über die Standhaftigkeit und die letzten Stunden des Konsuls Roesner und der übrigen Gerichteten. Der König setzte sich und hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu, bis der Erzähler mit den Worten schloß: »Königliche Majestät, in diesen schrecklichen Tagen habe ich das Größte erlebt, was einem Diener des heiligen Amtes zuteil werden kann, denn ich sah fromme deutsche Männer, welche mit Gottvertrauen mutig in einen elenden Tod gingen. Jeder von den zehn Gerichteten konnte sich Leben und Freiheit retten, wenn er seinen Glauben abschwor. Aber nur einer von elfen wurde schwach, die anderen zehn blieben treu bis zum Tode.« Da faltete der König die Hände: »Was sagtet Ihr vorhin über eine Hilfe, die sie von mir begehrt haben?«
(G. Freytag: Der Freikorporal bei Markgraf-Albrecht, Kapitel Von Thorn nach Berlin, S.1138)
Freilich, da der Theologe groß ist, hilft es ihm nichts, dass er die protestantische Seite im Soldatenkönig anspricht. Dieser will ihn behalten und lässt ihn nur gehen, als er versprochen hat, sich wieder zum Dienst zu stellen, falls sein Bruder nicht aus seinem Diensturlaub zurückkehrt. Hier beginnt die Geschichte des Edelmuts der Brüder.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen