Außenpolitik der BRD


Außen- und Deutschlandpolitik der BRD 1949-1990
Von der “Politik der Stärke” über den “Wandel durch Annäherung” zur deutschen Einigung
Westbindung
Die erste Phase der AP der BRD war durch das Bestreben nach Selbstbestimmung gekennzeichnet. Dabei setzte Adenauer konsequent auf Westbindung, um das Wohlwollen der westlichen Alliierten zu erreichen. So stimmte er auch der internationalen Verwaltung des Ruhrgebiets unter dem Ruhrstatut zu und ließ sich vom SPD-Vorsitzenden Schumacher als “Kanzler der Alliierten” schimpfen. Nach dem Wechsel der französischen Außenpolitik mit Schuman-Plan und Montanunion (1952) fand seine Politik der Zusammenarbeit dann Bestäti­gung, weil die BRD jetzt gleichberechtigt mit Frankreich (und Italien und den Benelux-Staaten) zusammenarbeitete. Ebenso eindeutig arbeitete Adenauer auf einen deutschen Wehrbeitrag hin, doch der EVG-Vertrag scheiterte 1954 an der Ablehnung durch das französische Parlament. Dafür wurde die BRD dann in die NATO aufgenommen und souverän (1955).
Alleinvertretungsanspruch und “Politik der Stärke”
Mit ihrer Souveränität betonte die BRD noch stärker als zuvor - als der provisorische Charakter noch stärker betont wurde - den Alleinvertretungsanspruch der BRD für alle Deutschen. Das hieß, dass die BRD grundsätzlich den Kontakt zu allen Staaten, die die DDR anerkannten, abbrach (nach der so genannten Hallsteindoktrin, benannt nach dem Staats­sekretär dieses Namens). Einzige Ausnahme war die SU, die Adenauer 1955 sogar aufsuchte, um die Entlassung der deutschen Kriegsgefangenen zu erreichen. Die Vorstellung war, dass die BRD durch die Zusammenarbeit mit dem Westen so stark und attraktiv werde, dass die DDR wie durch einen Magnet angezogen (Magnettheorie) sich der BRD anschließen werde. So sehr die moralische Berechtigung dieser Position durch den Aufstand vom 17.6.1953 und die realpolitische Basis durch die hohen Flüchtlingszahlen aus der DDR untermauert wurden, so erwies sich diese “Politik der Stärke” spätestens dann als gescheitert, als die DDR mit Billigung der SU und Duldung der USA am 13.8.1961 mit der Berliner Mauer den letzten freien Übergang von Ost nach West verriegelte.
Entspannungspolitik und neue deutsche Ostpolitik
Ab 1962 begannen sehr vorsichtige Schritte der Entspannung zwischen den USA und der SU. Die BRD weichte ihre harte Haltung auch ein wenig auf, hielt sich aber sehr zurück. Willy Brandt, der als Regierender Bürgermeister von Westberlin besonders unter der Unversöhnlichkeit der beiden deutschen Staaten und der daraus folgenden Verletzlichkeit Westberlins gelitten hatte, vollzog ganz langsam als Außenminister der großen Koalition von 1966, dann aber mit Beginn seiner Kanzlerschaft 1969 energisch den “Wandel durch Annäherung”, den sein Mitarbeiter Egon Bahr propagiert hatte. Mit der neuen Ostpolitik wurde die BRD sogar zum Vorreiter der Aussöhnung mit dem Ostblock. Es kam zu Gewaltverzichtsabkommen mit der SU, Polen und der CSSR und zum Grundlagenvertrag mit der DDR, der reguläre, wenn auch nicht normale Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten herstellte. - Die Westbindung blieb aber entgegen den Nachkriegs­vorstellungen der SPD voll erhalten. Die BRD schloss sich eng an die USA an und trieb im Verein mit Frankreich weiter engagiert die europäische Einigung voran.
Abschwächung des Ost-West-Konflikts
Von 1971 bis 1973 veränderte sich mit dem Beitritt der VR China in die UNO und ihrem ständigen Sitz im Sicherheitsrat (1971), mit der chinesisch-amerikanischen Annäherung und dem Salt-Vertrag (1972) und dann mit der Beendigung des Vietnamkrieges und dem Ölkartell der OPEC (1973) auch international die Lage deutlich. Zu dem Gefühl der gemein­samen Abhängigkeit im Sicherheitsdilemma (seit 1962) gesellt sich zunehmend das Bewusstsein der Interessengemeinsamkeiten gegenüber den selbstbewusster auftretenden Staaten der dritten Welt. (Der innerkommunistische Konflikt zwischen China und SU führt andererseits zur Annäherung USA-China.) Der schärfste innenpolitische Gegner der BRD, die Terroristen der RAF, finden kaum Unterstützung im Ostblock, wohl aber bei den Kämpfern der palästinensischen PLO. So kommt es trotz immer wieder auftretender Spannun­gen zur routinemäßigen Zusammenarbeit mit der DDR, bis F.J. Strauß, der rechtskonservative CSU-Vorsitzende, sich für einen Milliardenkredit für die DDR einsetzt.
 
Der Weg zur Einigung
Die Regierung Kohl setzt die Ostpolitik der sozialliberalen Koalition weitgehend fort, auch wenn ihr Hauptaugenmerk auf die europäische Einigung gerichtet ist.
Treibendes Element zur Auflösung der Blöcke werden freilich, nachdem die SU unter Gorbatschow ihre Hegemonialansprüche deutlich abgebaut hat, die Ostblockstaaten Polen, Ungarn und die CSSR getrieben von den Dissidenten und der Gewerkschaft Solidarnosc (in Polen). Eine zahlenmäßig (im Vergleich zu vor 1961) geringe Fluchtbewegung und eine allgemeine Bürgerrechtsbewegung bringen dank der Unterstützung in anderen Ostblock­staaten 1989 das DDR-Regime zum Einsturz, als die meisten schon gar nicht mehr damit gerechnet hatten. Helmut Kohl nützte konsequent den günstigen Moment und seine guten Beziehungen zu den Westmächten, um die Einigung voranzutreiben (10-Punkte-Programm).
So hatte Jahrzehnte, nachdem sie widerlegt zu sein schien, die Magnettheorie ihre späte Bestätigung gefunden.
Fragen:
 1, Wieso entschied Adenauer sich für die Westbindung?
2. Wieso arbeitet Frankreich mit der BRD zusammen, obwohl es seinen Wiederaufstieg fürchtete?
3. Woran scheiterte die “Politik der Stärke”?
4. Was sprach für, was gegen die neue deutsche Ostpolitik?
5. Inwiefern widerspricht die Annäherung der USA an China den damals herrschenden Tendenzen und warum legte sie sich dennoch nahe?
6. Worin lag das gemeinsame Interesse von DDR und BRD?
7. Welche Gründe für den Erfolg der deutschen Einigung nennt der Text, welche wären außerdem anzuführen?
8. Wie erklärt sich die Skepsis - insbesondere der Jugendlichen von 1989/90 gegenüber der Einigung?