Nachkriegszeit: erster Aufbau u. Entstehung der Spaltung (1945-49)
Auf erste Versuche, die Einheit Deutschlands zu bewahren, die noch im Potsdamer Abkommen zu fassen sind, folgte bald eine bewusste Entscheidung der Besatzungsmächte, jeweils ihre Zone in ihrem Sinne und als Einflussraum zu entwickeln. Dabei ließ die Sowjetunion sehr viel früher als die Westmächte die Bildung von Parteien zu, auch um ihre aus Moskau kommenden Kader der kommunistischen Partei rasch das politische Leben bestimmen zu lassen. Im Zuge einer Volksfronttaktik klang der Aufruf der KPD von 1945 dabei sehr viel bürgerlicher als etwa das von Kapitalismuskritik geprägte Ahlenener Programm der CDU von 1947. Die wichtigsten Gegner der Einheit waren in dieser Phase die Franzosen, während die SU aus Interesse an Reparationen aus dem Ruhrgebiet eher für Einheit war. So obstruierte Frankreich ständig die Tätigkeit des Alliierten Kontrollrates.
In den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen werden 1946 von den Alliierten 12 Größen des Dritten Reiches zum Tode verurteilt. Der Marshall-Plan 1947/48 und die Währungsreform 1948 bringen dem Westen wirtschaftliche Gesundung. Die Reaktion der SU sind die Blockade Berlins und die Vorbereitung der Gründung der DDR, die dann kurz auf die der BRD folgt.
Ära Adenauer: Verhärtung der Spaltung, Westbindung, “Wirtschaftswunder”, Kanzlerdemokratie” (1949-63)
Diese Zeit war durch Zuversicht auf Wiederaufbauerfolge, durch Kalte-Kriegs-Mentalität (Antikommunismus), autoritären Stil und Patriarchat geprägt. Die Arbeitsamkeit, Regeltreue, Pünktlichkeit und Ordnung, die man den Deutschen nachsagt, waren charakteristisch für diese Zeit. Außerdem herrschte eine recht prüde Moral. (Kuppeleiparagraph).
1949-55 Aufbau
Wirtschaftswunder, als dessen Vater Wirtschaftsminister Erhard galt, und erste europäische Annäherung fallen in diese Zeit. Am Ende stehen: Souveränität, NATO-Mitgliedschaft und Bundeswehr. Adenauer entschied sich für konsequente Westbindung.
1955-63 Konsolidierung
Das Wirtschaftswunder wächst sich zum Wohlstand aus. Die Arbeitslosigkeit sinkt auf 1,7%, Gastarbeiter werden ins Land gerufen. Seit der Niederschlagung des Arbeiteraufstandes in der DDR 1953 wird die Hoffnung auf Wiedervereinigung immer geringer, das Reden davon gerät oft zur Heuchelei. Nach dem Bau der Mauer werden neue Strategien zur Annäherung von Ost und West als langfristige Strategie zur Wiedervereinigung entwickelt. Die SPD schafft mit dem Godesberger Programm 1959 und der Übernahme des marktwirtschaftlichen Konzepts für ihre Wirtschaftspolitik die Voraussetzung für ihre Regierungsfähigkeit. Im Streit um die Stationierung von Atomwaffen in der BRD wird erfolgreich die friedliche Nutzung der Kernenergie als Mittel zur Akzeptanz der neuen Technik gewählt. 1962 versuchte die Regierung das Nachrichtenmagazin Spiegel mundtot zu machen, indem ihm Landesverrat vorgeworfen wurde und seine Archive durchsucht wurden.
Die Affäre führte aber zum Ansehensverlust der Regierung, zum Rücktritt des Verteidigungsministers Strauß (CSU) und zur Stärkung der Kontrollfunktion der Medien. 1963 trat Bundeskanzler Adenauer zurück. (Der Versuch, des kleineren Koalitionspartners FDP, seine Kanzlerschaft schon 1961 zu beenden, war fehlgeschlagen.)
Liberalisierung u. Studentenrevolte: Auflockerung des Kalten Kriege, Umgruppierung des Parteiensystems, neuartige Kritik an der Regierung (1963-69)
Ludwig Erhard wurde neuer Kanzler, fand Anklang mit seinem liberalen Stil statt der autoritären Führung durch Adenauer, agierte aber glücklos. Trotz seiner Appelle zum Maßhalten geriet Deutschland in die Rezession, so dass er auf seinem eigenen Felde erfolglos schien. Auch innenpolitisch und außenpolitisch fand er keine Antworten auf die neuen Konstellationen: erste Studentenproteste und internationale Entspannung. So kam 1966 es zur Annäherung von CDU/CSU und SPD und der großen Koalition mit dem Kanzler Kiesinger. Sie brachte gegen die kleine Opposition FDP trotz der Proteste der außerparlamentarischen Opposition (APO) die Notstandsgesetze durch und öffnete sich zu den osteuropäischen Staaten. - Die Studentenproteste steigerten sich enorm bis zu ihrem Höhepunkt 1968 nach dem Attentat auf den SDS-Führer Rudi Dutschke. Mit den politischen Forderungen gehen freiere Vorstellungen von Sexualmoral (Pille, Aufklärungswelle) und vom Umgang mit Autoritäten einher. Der dadurch bewirkte soziokulturelle Wandel gilt vielen als das dauerhafteste Ergebnis der Protestbewegung.
Sozialliberale Periode: neue Ostpolitik, Reformen, Terrorismus, Ölkrise (1969-82)
Erst mit der sozialliberalen Regierung unter Willy Brandt begann eine konsequente Politik der Gewaltverzichtsverträge mit den osteuropäischen Staaten, der Anerkennung der DDR und der vertraglichen Regelung von Streitfragen bis hin zum gemeinsamen UNO-Beitritt von BRD und DDR 1973. Mit dem Niedergang der Studentenbewegung und ihrem Aufgehen in orthodoxen kommunistischen Gruppierungen ging der Aufstieg des Terrors der Rote Armee Fraktion (RAF) einher. Das führte schon unter Brandt zum Radikalenerlass und der Praxis der Berufsverbote für alle, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung (FDGO) infrage stellten. Die Ölkrise aufgrund des Kartells der OPEC stärkte das Umweltbewusstsein und brachte ein Umdenken in Richtung Energiesparen. Nach dem Rücktritt Brandts nach der Spionageaffäre Guillaume übernahm der pragmatischere Schmidt die Kanzlerschaft, der sich über dem NATO-Doppelbeschluss zur Nachrüstung bei Mittelstreckenraketen bei gleichzeitigem Verhandlungsangebot an die SU von Teilen der Mitgliedschaft der SPD entfremdete. (Fähigkeit zu energischem Handeln bewies er im Herbst 1977 bei der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer und einer Flugzeugentführung.)
Erneut kam es wie 1963 und 1966 zum Regierungswechsel nicht aufgrund einer Wahl, sondern aufgrund des Wechsels des Koalitionspartners, als Genscher die FDP in die Koalition mit der CDU/CSU führte.
Neuer Konservativismus (“Wende”): Skepsis gegenüber Reformen, verstärktes Umweltbewusstsein, Beibehaltung der außenpolitischen Aufgeschlossenheit, Aufkommen von Rechtsradikalismus (1982-90)
Der neue Kanzler Helmut Kohl (CDU) ließ sich 1983 durch eine Wahl bestätigen. Er strebte eine “geistig-moralische Wende” (Weizsäcker) an, schränkte die Staatsausgaben etwas ein und beendete die Politik der beschränkten Umverteilung zugunsten der Arbeitnehmer. Pragmatisch reagierte er auf das Unglück von Tschernobyl mit dem Einsetzen eines Bundesumweltministers, verspielte aber trotz hervorragenden Machtkalküls seine Sympathien durch innenpolitische Unbeweglichkeit und “Aussitzen” von Problemen. Aus einem Popularitätstief rettete ihn das konsequente Ergreifen der Chance der deutschen Einheit 1989 mit seinem 10-Punkte-Plan und der wirtschaftlich riskanten, politisch sehr wirkungsvollen Währungsunion.
Einigung, verstärkter Konservativismus, Unterstützung des Aufbaus in Ostdeutschland, erhöhte Arbeitslosigkeit, Umbau des Sozialstaats zum Zwecke der Förderung des Wirtschaftsstandortes (ab1990)
Große Versprechungen von “blühenden Landschaften” und konsequente Eingliederung der Ost-CDU brachten trotz der protestantisch-sozialistischen Traditionen in den neuen Bundesländern der CDU die Stellung der stärksten Partei in Ostdeutschland. Der wirtschaftliche Anschluss, der zum Wegbrechen der Märkte im Osten führte, kostete zwar viel Subventionen in Ostdeutschland, stellte aber die Eingliederung der ehemaligen DDR so früh sicher, dass auch der Zusammenbruch der SU die Einigung nicht mehr gefährden konnte. Das Fehlen einer nichtkapitalistischen Alternative führte zu einem neuen Konservativismus und zu Kritik an jeder Utopie, aber auch zur Abwendung von solidarischem Denken. So wurde die steigende Arbeitslosigkeit nur durch Lohnabbau und Umbau des Sozialstaates beantwortet, Deregulierung trat an die Stelle der staatlich unterstützten Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Gewerkschaften in der “konzertierten Aktion” der Rezessionskrise von 1966. (Auf steigende Asylbewerberzahlen reagierte man trotz Rückgangs der Aussiedlerzahlen mit Einschränkung des Asylrechts - Art.16a. 1993)
Lohnsenkung und Steuersenkung für Unternehmer sind die Methoden zur Verbesserung des “Wirtschaftsstandortes” angesichts der Herausforderung durch die freie Transferierbarkeit des Kapitals und der Möglichkeit der multinationalen Konzerne, sich der nationalstaatlichen Besteuerung zu entziehen, die unter dem Stichwort Globalisierung zusammengefasst werden.
Rot-grüne Koalition (1998 – 2005)
1998 brachte die rot-grüne Koalition mit Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Fischer nach 16 Jahren Amtszeit Kohls den ersten bundesdeutschen Regierungswechsel, der durch eine Wahl und nicht durch einen Parteiwechsel zustande kam, und damit auch deutliche Veränderungen: Innenpolitisch kam es zur Einführung der Ökosteuer (1999) und der gesetzlichen Lebenspartnerschaft für Homosexuelle (2001) sowie zur Vereinbarung über den Atomausstieg (2000), außenpolitisch zur Beteiligung der Bundeswehr am Kosovokrieg der NATO und nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center in New York 2001 zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan. In der CDU führte die Spendenaffäre zum Aufstieg Angela Merkels zur Vorsitzenden.
Wirtschafts- und sozialpolitisch schwenkte die rot-grüne Koalition nach dem Rücktritt des Finanzministers und Parteivorsitzenden Lafontaine Anfang 1999 auf einen eher wirtschaftsliberalen Kurs mit allgemeinen Steuersenkungen und öffentlicher Sparpolitik. Nach der Wiederwahl der Koalition, die sich nicht zuletzt Schröders publikumswirksamen Eingreifen bei der Elbeflut verdankte, wurde diese Politik mit der Agenda 2010 mit sozialpolitischen Kürzungen, insbesondere der Beschränkung des Arbeitslosengeldes (Hartz IV) verstärkt fortgeführt.
Außenpolitisch kam es mit der Entscheidung der USA für einen Irakkrieg zur Umorientierung. Schröder stellte sich zusammen mit Frankreich und Russland gegen den Krieg und näherte sich Russland etwas an.
Als Hartz IV zu größeren Protesten und zu Wahlverlusten der SPD führte, trat Schröder vom SPD-Vorsitz zurück. Doch auch sein Nachfolger Müntefering konnte Wahlverluste nicht vermeiden. So wurde 2004 der ehemalige IWF-Vorsitzende Horst Köhler mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP zum Bundespräsidenten gewählt und 2005 kam es zum Verlust der Jahrzehnte dauernden SPD-Mehrheit in Nordrhein-Westfalen. Daraufhin beantragte Schröder Neuwahlen.
Große Koalition ab 2005
Obwohl die aus der PDS und SPD-Abweichlern hervorgegangene Linkspartei der SPD Stimmen kostete, kam es aber nicht zur schwarz-gelben Mehrheit, so dass Angela Merkel nur durch die Bildung einer neuen Großen Koalition zur Bundeskanzlerin wurde.