Demokratie
Unter Demokratie stellt man sich einen Staat vor, in dem "jeder Bürger die Möglichkeit erhält, an der Reform von Staat und Gesellschaft mitzuwirken" (Willy Brandt, 1969).
Gegenwärtig dienen alle „Reformen“ nur der Finanzierung der Steuerentlastung für Unternehmen.Bis tief in die 80er Jahre gab es eine Partei, die gegen diese Tendenzen angekämpft hat. Von ihrem Parteivorsitzenden Brandt stammt das Wort "Wir wollen mehr Demokratie wagen." Diese Partei gibt es nicht mehr.
Denn inzwischen ist der Gedanke an Demokratie eine Horrorvorstellung für jeden, der noch versucht, in der BRD Politik zu gestalten. Denn Demokratie ist mit unserer Art von Wirtschaftsorganisation nicht vereinbar.
Aber in vielen europäischen Staaten ist das Interesse an Demokratie noch frisch. Es gibt also noch Hoffnung. (20.6.04)
Paradoxien unserer Demokratie
16.1.05: Die SPD gewinnt wieder an Popularität. Dadurch liegen jetzt Rot-Grün und Schwarz-Gelb wieder etwa gleichauf und die politische Ungerechtigkeit, dass die Union Stimmen gewinnt, weil die SPD das tut, was die Union auch will, ist im Augenblick aus dem Weg geschafft. Diese Ungerechtigkeit war freilich auf eine politisch sinnvolle und angemessene Reaktion der SPD-Wähler zurückzuführen. Denn diese haben sich (zum Teil) von der Partei abgewandt, weil sie nicht mehr die Positionen vertreten hat, wegen derer sie 1998 gewählt worden war und die das Charakteristikum der SPD darstellten, nämlich: die Interessen der sozial Schwächeren gegen die Starken zu vertreten. Weil einerseits eine politische Ungerechtigkeit vorlag und andererseits die Wähler sich völlig richtig im Sinne von Demokratie als Interessenvertretung des Volkes verhalten haben, ist der Vorgang nicht einfach zu bewerten. Einerseits hätte ein konsequentes Durchhalten der Position „Die SPD vertritt nicht meine Position. Also kann ich sie nicht wählen.“ dazu geführt, dass die Partei an die Macht gekommen wäre, die noch mehr gegen die Interessen der verärgerten SPD-Wähler handelte. Das wäre eindeutig gegen das Interesse dieser Wähler. Andererseits wären Sie mit einer Unionsregierung wieder in der Lage gewesen, ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen, indem sie eine Partei wählen, die gegen die Politik auftritt, die sie, diese Wähler, ablehnen. Im Sinne von Demokratie wäre dieser Vorgang freilich nicht eigentlich. Denn die Entscheidung, im Sinne der eigenen Position zu wählen, hätte ja dazu geführt, dass die Position, die man ablehnt, gestärkt wurde. Dass Wähler in eine solche Zwangslage geraten, liegt daran, dass wir uns gegenwärtig in einer Zwei-Lager-Konstellation befinden. Schwächung des einen Lagers bedeutet Stärkung des anderen. Dies wiederum ist darauf zurückzuführen, dass die Partei links von der SPD für die meisten Wähler nicht wählbar ist. Das entsprechende Dilemma stellt sich übrigens auf der anderen Seite. Wähler, denen der Kurs von Union und FDP nicht rechts genug ist, die aber nicht rechtsradikal wählen wollen, werden durch Wahlenthaltung das rot-grüne Lager stärken. Dass die Konstellationen so sind, hilft freilich zur Reformfähigkeit von Demokratie. Parteien können sich nämlich leisten, auch unpopuläre Maßnahmen zu vertreten, solange die Wähler, die sie mit ihren Maßnahmen verprellen, keine Wahlalternative haben. Nur wird es immer dann problematisch, wenn die Reformen in eine Richtung führen müssten, die in beiden Volksparteien keine Lobby haben. Aus dem Dilemma hat einmal die Parteigründung der Grünen geholfen. Die Belange der Umwelt werden inzwischen etwas stärker wahrgenommen. Es fehlt freilich eine Partei, die für die Belange der Einen Welt eintritt. (globale Gerechtigkeit) So kommt es zu der Paradoxie, dass die einzigen, die sich für globale Belange einsetzen, als „Globalisierungsgegner“ bezeichnet werden. Die Situation ist nicht nur frustrierend, sondern auch kompliziert. Nicht eben übersichtlicher wird sie dadurch, dass wir in Deutschland materiell enorm davon profitieren, dass es auf der Welt ungerecht zugeht. So heißt Eintreten für die langfristigen Interessen (Gerechtigkeit) Handeln gegen die kurzfristigen eigenen Interessen. Doch das ist ja nicht ungewöhnlich.
16.1.05: Die SPD gewinnt wieder an Popularität. Dadurch liegen jetzt Rot-Grün und Schwarz-Gelb wieder etwa gleichauf und die politische Ungerechtigkeit, dass die Union Stimmen gewinnt, weil die SPD das tut, was die Union auch will, ist im Augenblick aus dem Weg geschafft. Diese Ungerechtigkeit war freilich auf eine politisch sinnvolle und angemessene Reaktion der SPD-Wähler zurückzuführen. Denn diese haben sich (zum Teil) von der Partei abgewandt, weil sie nicht mehr die Positionen vertreten hat, wegen derer sie 1998 gewählt worden war und die das Charakteristikum der SPD darstellten, nämlich: die Interessen der sozial Schwächeren gegen die Starken zu vertreten. Weil einerseits eine politische Ungerechtigkeit vorlag und andererseits die Wähler sich völlig richtig im Sinne von Demokratie als Interessenvertretung des Volkes verhalten haben, ist der Vorgang nicht einfach zu bewerten. Einerseits hätte ein konsequentes Durchhalten der Position „Die SPD vertritt nicht meine Position. Also kann ich sie nicht wählen.“ dazu geführt, dass die Partei an die Macht gekommen wäre, die noch mehr gegen die Interessen der verärgerten SPD-Wähler handelte. Das wäre eindeutig gegen das Interesse dieser Wähler. Andererseits wären Sie mit einer Unionsregierung wieder in der Lage gewesen, ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen, indem sie eine Partei wählen, die gegen die Politik auftritt, die sie, diese Wähler, ablehnen. Im Sinne von Demokratie wäre dieser Vorgang freilich nicht eigentlich. Denn die Entscheidung, im Sinne der eigenen Position zu wählen, hätte ja dazu geführt, dass die Position, die man ablehnt, gestärkt wurde. Dass Wähler in eine solche Zwangslage geraten, liegt daran, dass wir uns gegenwärtig in einer Zwei-Lager-Konstellation befinden. Schwächung des einen Lagers bedeutet Stärkung des anderen. Dies wiederum ist darauf zurückzuführen, dass die Partei links von der SPD für die meisten Wähler nicht wählbar ist. Das entsprechende Dilemma stellt sich übrigens auf der anderen Seite. Wähler, denen der Kurs von Union und FDP nicht rechts genug ist, die aber nicht rechtsradikal wählen wollen, werden durch Wahlenthaltung das rot-grüne Lager stärken. Dass die Konstellationen so sind, hilft freilich zur Reformfähigkeit von Demokratie. Parteien können sich nämlich leisten, auch unpopuläre Maßnahmen zu vertreten, solange die Wähler, die sie mit ihren Maßnahmen verprellen, keine Wahlalternative haben. Nur wird es immer dann problematisch, wenn die Reformen in eine Richtung führen müssten, die in beiden Volksparteien keine Lobby haben. Aus dem Dilemma hat einmal die Parteigründung der Grünen geholfen. Die Belange der Umwelt werden inzwischen etwas stärker wahrgenommen. Es fehlt freilich eine Partei, die für die Belange der Einen Welt eintritt. (globale Gerechtigkeit) So kommt es zu der Paradoxie, dass die einzigen, die sich für globale Belange einsetzen, als „Globalisierungsgegner“ bezeichnet werden. Die Situation ist nicht nur frustrierend, sondern auch kompliziert. Nicht eben übersichtlicher wird sie dadurch, dass wir in Deutschland materiell enorm davon profitieren, dass es auf der Welt ungerecht zugeht. So heißt Eintreten für die langfristigen Interessen (Gerechtigkeit) Handeln gegen die kurzfristigen eigenen Interessen. Doch das ist ja nicht ungewöhnlich.
Erschreckend die Parallele der heutigen Situation mit den Vorgängen von 1929/30:
Zum einen, dass die „schwerindustriellen Gruppen die Chance zu dem Versuch, das Rad der deutschen Geschichte wieder zurückzudrehen [sahen], wobei [...] die Rückkehr zu einem rein privatkapitalistischen Wirtschaftssystem unter radikaler Beschneidung der sozialpolitischen Errungenschaften des letzten Jahrzehnts als Ziel vorschwebte“
„Der Reichskanzler nahm dabei die zeitweise Verelendung immer größerer Gruppen des deutschen Volkes ebenso in Kauf wie die politische Radikalisierung auf der Rechten, die er zuversichtlich sogar noch in sein politisches Kalkül einbauen zu können glaubte.“
„Tatsächlich aber konnten solche widersprüchlichen wirtschaftspolitischen Doktrinen überhaupt nur Anklang finden, weil die Regierung und die demokratischen Parteien jede Orientierung verloren hatten und BRÜNING es für müßig hielt, sich konsequent um Verständnis für seine Politik bei den breiten Schichten des Volkes zu bemühen. Im Gegenteil, der Reichskanzler hielt es sogar für eine Tugend, keine Rücksicht auf die Stimmung der breiten Massen zu nehmen.“ (Alle Zitate aus: Wolfgang Mommsen: 1933. Die Flucht in den Führerstaat, in: Wendepunkte deutscher Geschichte 1848-1990, hg. C. Stern u. H.A. Winkler, Frankfurt 1994, S.127 ff.)
Man ersetze Reichskanzler durch Bundeskanzler und Brüning durch Schröder und setze den Text in die Gegenwart. Er passt erschreckend gut, auch wenn wir von Schröder zu wissen glauben, dass er sich mehr an der öffentlichen Meinung orientiert als daran, was in der gegebenen Situation die angemessene Politik ist. (19.9.04)
Zum einen, dass die „schwerindustriellen Gruppen die Chance zu dem Versuch, das Rad der deutschen Geschichte wieder zurückzudrehen [sahen], wobei [...] die Rückkehr zu einem rein privatkapitalistischen Wirtschaftssystem unter radikaler Beschneidung der sozialpolitischen Errungenschaften des letzten Jahrzehnts als Ziel vorschwebte“
„Der Reichskanzler nahm dabei die zeitweise Verelendung immer größerer Gruppen des deutschen Volkes ebenso in Kauf wie die politische Radikalisierung auf der Rechten, die er zuversichtlich sogar noch in sein politisches Kalkül einbauen zu können glaubte.“
„Tatsächlich aber konnten solche widersprüchlichen wirtschaftspolitischen Doktrinen überhaupt nur Anklang finden, weil die Regierung und die demokratischen Parteien jede Orientierung verloren hatten und BRÜNING es für müßig hielt, sich konsequent um Verständnis für seine Politik bei den breiten Schichten des Volkes zu bemühen. Im Gegenteil, der Reichskanzler hielt es sogar für eine Tugend, keine Rücksicht auf die Stimmung der breiten Massen zu nehmen.“ (Alle Zitate aus: Wolfgang Mommsen: 1933. Die Flucht in den Führerstaat, in: Wendepunkte deutscher Geschichte 1848-1990, hg. C. Stern u. H.A. Winkler, Frankfurt 1994, S.127 ff.)
Man ersetze Reichskanzler durch Bundeskanzler und Brüning durch Schröder und setze den Text in die Gegenwart. Er passt erschreckend gut, auch wenn wir von Schröder zu wissen glauben, dass er sich mehr an der öffentlichen Meinung orientiert als daran, was in der gegebenen Situation die angemessene Politik ist. (19.9.04)