"Was bleibt" ist der Titel einer Erzählung von Christa Wolf.
Die Blogparade Tod und Trauer im Internet (2012) handelte davon.
Ich habe meinerseits im November 2011 dazu geschrieben. Knapp ein Jahr darauf habe ich mich dankbar dem angeschlossen, was ein anderer im Internet über meine Trauer gesagt hat.
Ausführlich schreibt zu "Was bleibt" unter dem Titel "Was von uns übrig bleibt, ..." SVEN STILLICH in ZEIT Wissen 1/2015 - Dabei kommt er auch auf Christa Wolf zu sprechen.
Wie lange wird die Wikipedia bleiben? Wie lange werden die ersten Versionen der Artikel bleiben? Wie lange werden einzelne Artikel bleiben?
In Österreich werden Keramikplatten hergestellt, die heutige Kenntnisse so dauerhaft überliefern sollen wie die Tontäfelchen der Keilschriftkultur.
Eine Bautechnik mit ähnlichen Ergebnissen wie Keramik: Tadelakt aus Marokko uns überliefert.
Mittwoch, 14. Januar 2015
Was bleibt?
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Donnerstag, 8. Januar 2015
Adel und Bürgertum
Ich hätte nicht übel Lust, anhand von Fontanes Text über Marwitz und Jürgen Osterhammels Aussagen über das Bürgertum eine kleine Abhandlung über Adel und Bürgertum zu schreiben.
Vorläufig bleibt es bei einer kleinen Andeutung.
Zunächst zur Einführung das, was die Wikipedia über Marwitz als politischen Vertreter der Adelsrechte schreibt:
Als Politiker vertrat Marwitz den altpreußischen Adel. Er war – wie die meisten dieser Adeligen – ein vehementer Gegner der Reformpolitik der Minister Freiherrn vom Stein und Fürst Hardenberg, in denen er – ähnlich wie Ludwig Yorck von Wartenburg – eine Gefahr für die Privilegien des Adels und des vom Adel gestützten preußischen Staates erblickte. Das Königreich müsse nach seiner Ansicht vom Adel dominiert bleiben.1811 verfasste er die Lebuser Denkschrift. Darin ließ er die Stände des Lebuser Landes den König fragen, ob „unser altes, ehrwürdiges Brandenburg-Preußen ein neumodischer Judenstaat werden solle?“. Marwitz wandte sich dagegen, die Erbuntertänigkeit der Bauern vom Gutsherrn durch Geldzahlungen abzulösen und Adelsgüter auch für Bürgerliche zum Erwerb freizustellen. Marwitz befürchtete, dass damit das damals aufstrebende städtische Bürgertum oder Banken – daher die polemische Formulierung vom „Judenstaat“ –, die wenig kapitalstarken Adeligen durch Aufkaufen von Grundeigentum aus ihren angestammten Besitztümern verdrängen würde.Dagegen agitierte er für seine Rechtsposition, dass der adelige Großgrundbesitz zugleich die unaufgebbare Machtbasis der herrschenden Hohenzollern sei. Nach Marwitz Meinung brachen die Neuerungen alte ungeschriebene Verträge (u. a. mit Friedrich Wilhelm III. bei dessen Amtsantritt), die der Adel einst mit dem preußischen König geschlossen habe und mit denen er seine Machtansprüche an den König delegiert habe.Marwitz war überzeugt, dass der Adel wie von jeher in alter preußischer Tradition alle Offiziersstellen der Armee innehaben solle und diese Vormachtstellung in der sozialen Struktur des Staates erhalten bleiben müsse. Dieses entsprach den Interessen vieler Adelsfamilien: In Preußen war eine Erbaufteilung von Landgütern wegen des kargen, unfruchtbaren Bodens unwirtschaftlich. So stand in den Adelsfamilien für die jüngeren Brüder der Erben häufig nur die Offizierslaufbahn als Karriereweg offen.Marwitz blieb diesen Positionen auch nach Umsetzung der Reformen bis ins hohe Alter treu. Auch in den letzten Lebensjahren bekämpfte er unermüdlich die Ergebnisse der Stein-Hardenbergschen Reformen. Daher sagte Theodor Fontane über ihn: „Die Marwitze haben dem Lande manchen braven Soldaten, manchen festen Charakter gegeben, keinen aber braver und fester, als Friedrich August Ludwig von der Marwitz, dessen Auftreten einen Wendepunkt in unserem staatlichen Leben bedeutet. Erst von Marwitz´ Zeiten ab existiert in Preußen ein politischer Meinungskampf.“ (Seite „Friedrich August Ludwig von der Marwitz“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 25. November 2014, 08:28 UTC. URL:http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Friedrich_August_Ludwig_von_der_Marwitz (Abgerufen: 8. Januar 2015, 21:46 UTC))
Jetzt hören wir Fontane zu dem von ihm hochgeschätzten Marwitz noch etwas ausführlicher:
Diese nur allzu begründeten Zweifel führen mich auf Marwitzens angreifbarsten Punkt, auf sein Verhältnis zum Bürgerstand. Er ließ den »Bürgerstand« gelten, soweit er in die alte ständische Institution hineinpaßte, aber er haßte die »Gebildeten«. Und da die Bürgerlichen zu jener Zeit überwiegend die Träger dieser Bildung waren, so wurde daraus eine Verkleinerung, eine völlig schiefe Stellung zum Bürgertum überhaupt. Daß ihm das damalige, von Revolutionsideen erfüllte Bürgertum, das wenigstens hier und dort die Niederlage von Jena mit Befriedigung vernommen hatte, wenig sympathisch war, war ebenso begreiflich wie berechtigt, aber er verharrte in dieser Abneigung auch noch, als die Ereignisse des Jahres 1813, und zwar nicht nur die Erhebung des Volks, sondern ganz speziell die Begeisterung der »Gebildeten«, ihm den Beweis geliefert hatte, daß auch ein Bücherwurm und Wissenschaftler für eine gute Sache zu fechten und zu sterben verstehe. Er selbst gab diese Dinge im einzelnen zu, aber dem ganzen Stande gegenüber blieb ihm das aristokratische Vorurteil. Der Adel nahm in seinen Augen nicht nur politisch und gesellschaftlich, sondern auch moralisch eine überlegene Sonderstellung [220] ein; seine Gesinnung war besser, ebenso seine Haltung, und so viel Wahrheit und partielle Berechtigung, namentlich angesichts unseres märkischen Spießbürgertums, in dieser Auffassung liegen mochte, so führte dieselbe doch gelegentlich zu den allerbedenklichsten Konsequenzen. Eine Anekdote mag dies zeigen.Nun Jürgen Osterhammel:
Im Jahre 1806 traf unser Marwitz, wenige Tage vor der Jenaer Schlacht, im Schlosse zu Weimar mit Goethe zusammen. Wie schildert er nun diesen? »Er war ein großer, schöner Mann, der stets im gestickten Hofkleide, gepudert, mit einem Haarbeutel und Galanteriedegen, durchaus nur den Minister sehen ließ und die Würde seines Ranges gut repräsentierte, wenngleich der natürlich freie Anstand des Vornehmen sich vermissen ließ.« Also auch Goethe konnte sich in Haltung und Erscheinung nicht bis zur Ebenbürtigkeit erheben. Er war ein anstandsvoller Minister und ein großer Poet, war der Freund seines Fürsten und der leuchtende Stern des Hofes, aber geboren als ein Bürgerssohn zu Frankfurt, ließ er doch den »freien Anstand des Vornehmen vermissen«. Es gebrach ein unaussprechliches Etwas, vielleicht die hohe Schule des Regiments Gensdarmes. [...]
In Standesvorurteilen, wie sie das Urteil über Goethe zeigt, war und blieb Marwitz befangen; aber er verfuhr auch hierin nach Überzeugung und stumpfte dadurch den Stachel der persönlich Verletzenden. Zudem hielt es nicht schwer, die Wurzel seines Irrtums zu erkennen. Während er nämlich sich selbst als Repräsentanten des Adels nahm, nahm er den ersten besten Bürgerlichen [221] als Repräsentanten des Bürgerstandes. Der Zufall wollte, daß er in sich selbst einen so vollkommenen Vertreter adeliger Gesinnung zur Hand hatte, daß bei solchem Herausgreifen aufs Geratewohl der Bürgerliche mit einer Art von Notwendigkeit zu kurz kommen mußte. Er vergaß eben, daß nicht jeder Adelige ein Marwitz war, und daß viele Eigenschaften, die er an den »Gebildeten« haßte, nicht Sondereigenschaften des Bürgerstandes, sondern allgemeine Eigenschaften der ganzen Epoche waren. So geißelte er das Auftreten eines eitlen, leckern und gesinnungslosen Historikers, der damals in den Berliner Salons vergöttert wurde, mit verdientem Spott, aber andere bürgerliche Namen, die seines Beifalls würdig gewesen wären, hätten ihm ebenso nah oder vielleicht näher gelegen. (Fontane: Wanderungen, Oderland, Marwitzkapitel, S.219-221)
"Der Bürger will gestalten und organisieren, er hat einen hohen Begriff von seiner Verantwortung und will [...] mithelfen, dem gesellschaftlichen Leben eine Richtung zu geben.""Statt wie der Adlige auf die Ehre achtet der typische Bürger auf Respektabilität" ("Sorge um den guten Ruf") (S.1085)Die "wirtschaftliche Ausdrucksform [der Respektabilität] ist die Kreditwürdigkeit" (S.1085)"Im 'bürgerlichen Zeitalter' bildeten Bürger von 'Besitz und Bildung' eine winzige Minderheit unter der Weltbevölkerung." (S.1086)Der Adel hatte weltgeschichtlich eine politisch bestimmende Rolle über Jahrtausende hinweg. Dem gegenüber ist die Rolle des Bürgertums eine recht neue und - aufgrund der definitorischen Schwierigkeiten mit Klein-, Bildungs- und Großbürgertum - fast marginal zu nennen. Denn der Staatsbürger von heute umfasst ja alle bis ins 19. Jahrhundert noch klar getrennte Schichten.
"Nirgendwo sonst als in Westeuropa und den neo-europäischen Siedlergesellschaften scheint es die Vorstellung gegeben zu haben, die Mitte der sozialen Hierarchie könne dem gesellschaftlichen Ganzen ihre Ideale der Lebensführung aufprägen." (S.1087) (Osterhammel: Die Verwandlung der Welt, S.1085-1087)
Was Marwitz als "freien Anstand des Vornehmen" an Goethe vermisste, war das, was Ludwig der XIV.* an seinen Adligen so fürchtete, dass er sie nicht zu Ministern machte und sie (wie der japanische Shogun*) durch Hofdienst und Gehälter von ihrem angestammten Besitz zu entfremden suchte.
In Preußen hatten die Hohenzollern, gipfelnd bei Friedrich II., es verstanden, Pflichttreue im Dienste für "König und Vaterland" hinzuzufügen, ohne die mutige Entscheidung für das beste der Sache - wie etwa bei Yorcks Konvention von Tauroggen - bei den besten auszutreiben.
Dieser Geist der Verantwortlichkeit fand sich noch bei den adligen Widerstandskämpfern gegen den Naziterror (u.a. auch bei einem Nachfahren des Yorcks von Tauroggen, bei Peter Graf Yorck von Wartenburg). Insgesamt hatte der Adel freilich, wie die vielen Beispiele adliger Befehlsempfänger Hitlers zeigten, die Rolle einer politischen Kraft damals schon längst verloren.
Schon Fontane attestiert Marwitz, dass er - obwohl juristisch im Recht - für eine überholte Position stritt.
Was bei einer Abhandlung über Adel und Bürgertum freilich nicht fehlen sollte, ist die Sicht Goethes auf diese Konstellation. Schließlich hat nicht nur Marwitz sich dazu geäußert, sondern im Wilhelm Meister auch Goethe. (Dazu, wie Goethe adelig wurde, sieh hier.)
*"Unter Ludwigs Regentschaft wurde der Staatsapparat stark zentralisiert: Provinzen und Städte wurden von Beamten verwaltet, die vom König abhängig waren, weil sie über keine eigene Ländereien verfügten. Der Adel hatte zwar solche, wurde allerdings seiner politischen Rechte enthoben." (Seite „Ludwig XIV.“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 30. Dezember 2014, 09:05 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ludwig_XIV.&oldid=137232886(Abgerufen: 8. Januar 2015, 22:54 UTC))
*"Die Daimyō wurden gezwungen, die Hälfte des Jahres in der neuen Hauptstadt zu verbringen, und ihre Familien durften Edo überhaupt nicht verlassen. Diese Praxis, das so genannte sankin kōtai, wurde 1635 gesetzlich fixiert und blieb bis 1862 in Kraft. Die doppelte Hofhaltung verschlang gewaltige Geldmittel, die die Daimyō somit nicht zur Finanzierung eines möglichen Aufstands nutzen konnten. Zudem dienten die Familie der Daimyos als Geiseln für das Wohlverhalten der Fürsten." (Seite „Edo-Zeit“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. November 2014, 12:11 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Edo-Zeit&oldid=136264842 (Abgerufen: 8. Januar 2015, 22:49 UTC))
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