Sonntag, 3. August 2014

Wie kann man Terrorismus bekämpfen?


Terrorismus ist sehr schwer zu bekämpfen.
Innerhalb eines Landes kann man ihn bekämpfen, indem man ihm keine Zugeständnisse macht, ihm die Tätigkeit so weit als möglich erschwert und ihm Sympathisanten entzieht, indem man das, was aus ihrer Sicht als Missstand erscheint, weitestgehend entfernt.
Der Weg ist äußerst beschwerlich, hat sich aber bei der Bekämpfung des Terrors in der Bundesrepublik durch die RAF als gangbar erwiesen.
Weit schwieriger ist es, wenn sich innerhalb eines Landes zwei miteinander verfeindete Terrorgruppen gegenüber stehen. Ein Beispiel sind protestantische und katholische Terrorgruppen in Nordirland, die die bestehenden Friedensbemühungen immer wieder zu durchkreuzen verstehen. Ein anderes waren arabische und jüdische Terrorgruppen zur Zeit des britischen Mandats in Palästina. (Die Briten gaben nach erfolglosen Versuchen der Unterdrückung des Terrors auf, entließen das Land aus ihrer Herrschaft und gaben damit den Weg in die israelische Unabhängigkeit und viele folgende Kriege frei.)
Noch problematischer ist das Vorgehen gegen terroristische Regierungen. Der Erfolg der Alliierten gegen Hitlerdeutschland, der über militärische Niederwerfung des Staates bis zur unbedingten Kapitulation und Entnazifizierung im Westen zu einer erstaunlich stabilen Demokratie führte, ist eher eine Ausnahme.
Eher die Regel sind Beispiele wie der stalinistische Terror in der Sowjetunion, der selbst nach dem Tod des Diktators zunächst noch kein Ende fand. (Die endgültige Beseitigung des Terrors unter Gorbatschow führte zum Zusammenbruch der Sowjetunion und zu wenig demokratischen Regierungen in den Nachfolgestaaten, die ihrerseits die Ausbildung stabiler Mafiastrukturen nicht verhindern konnten.)
Doch die Vorgänge von 1989 in Mittel- und Osteuropa begründen andererseits die Hoffnung, dass auch Staatsterror sich nicht langfristig halten muss und dass demokratische Gegenbewegungen unter günstigen Umständen Erfolg haben können.

Andere Methoden der Terrorbekämpfung wie etwa das russische Vorgehen gegen Tschetschenien zur Bekämpfung von Terroristen in Russland galten bisher als wenig vorbildlich. Sie geben wenig Hoffnung, dass nichtstaatliche Terroristengruppen durch Vorgehen gegen Staaten unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Mittel bekämpft werden können. (2001)

Samstag, 26. Oktober 2013

Doppeljubiläum (von 1997)


Sie sind Zwillinge. Beide feiern ihren 125. Geburtstag.
Unsere Schule, vor 125 Jahren freilich noch eine höhere Töchterschule, Und sie, die damals nur das Projekt eines Lehrers war und erst 1901 amtlich wurde, Konrad Dudens "Deutsche Rechtschreibung ". 1872 erschien sein gleichnamiges Buch.
Sie sollte eine "demokratische Rechtschreibung" sein, leicht zu erlernen und den Bedürfnissen aller Volksschichten genügen. Damit setzte sich Duden von den Forderungen Jakob Grimms ab, der eine etymologische Rechtschreibung gefordert hatte, die die Herkunft der Wörter erkennen lasse.
Derselbe Streit um etymologische Korrektheit und leichtere Erlernbarkeit begleitete auch die jetzige Reform der Rechtschreibung aus Dudens Tagen: Eine wesentliche Reduktion der Rechtschreib- und Kommaregeln soll zukünftigen Schülern und Lehrern die Erarbeitung der Rechtschreibung leichter machen. Noch aber soll die neue Rechtschreibung an hessischen Schulen nicht gelehrt werden.

So wundere dich nicht, zukünftiger Leser, wenn du in dieser Festschrift die neuen Regeln nur in den letzten Absätzen dieses Textes befolgt siehst: Noch fällt es uns schwer behände die Kommas  vor erweiterten Infinitiven wegzulassen. Noch kommen wir uns belämmert vor, wenn wir die Gämse und das Känguru schreiben sollen. Doch freut es einen Lehrer wenn er " selbstständig  " und " Rad fahren " nicht mehr anzustreichen braucht, da bei diesen Wörtern leider schon seit vielen Jahren die meisten Schüler der Zeit voraus waren und die reformierte Schreibung schon vor der Reform anwandten.
Doch jetzt haben wir Jung und Alt genug von der neuen Schreibung geboten, möchten hier Halt machen und überlassen dem heutigen wie dem künftigen Leser zu raten, welche Schreibungen der hier vorliegenden Wörter erst nach der neuen Rechtschreibung zulässig sind und welche heute noch die Rechtschreibprüfungsprogramme der Computer Sturm laufen lassen.
Achtung! Auch diese Programme sind bei manchen Schreibweisen - aufgrund der ihnen innewohnenden Logik - schon heute auf dem Stand nach der Reform.

Aus den verschiedensten Gründen sind in diesen Blog auch einige Texte gelangt, die nicht von mir verfasst wurden (und zwar von Gustav Freytag und von Fritz Reuter, die beide meiner Meinung nach zu Unrecht fast vergessen sind). Deshalb soll endlich wieder ein Text von mir hier stehen. Er wurde 1997 für eine Schulfestschrift verfasst.

Frau Syndikus lässt reden (Reuter)

Frau Syndikus hat eine vorgefasste Meinung: Karl Hawermann ist schuldig. Aber sie hat dafür nicht sonderlich starke Argumente. So schickt sie zunächst eine gute Bekannte vor. Die wird von Fritz Reuter gleichsam vorgeführt:

" »Mein Gott«, rep de Teewirtin tauletzt, »was wissen Sie denn?« – »Die Krummhorn kann's erzählen«, säd de Syndikussen käuhl, »sie hat's ebensogut gesehen wie ich.« – De Krummhurn was 'ne gaude Fru un vertellte ok gaud un schafflich, äwer ehr Mundwark hadd den sülwigen Fehler, den den Protonotär Schäfer sine Bein hadden, 't würd mit ehr stüerlos, un grad as de Protonotär müßte sei af un an einen oder den annern tauraupen: »Holl mi wiß!« oder: »Dreih mi üm!« – Sei fung nu an: »Ja, er kam quer über den Markt her ...« – »Wer?« frog so'n oll lütten dämlichen Gerichtsakzesser, de sick ut de Sak noch nich vernemen kunn. – »Still!« rep allens. – »Also er kam quer über den Markt her, ich kannte ihn gleich wieder, er hat sich bei meinem Mann vordem einmal einen neuen Anzug gekauft, einen schwarzen Leibrock und eine blaue Hose – ih, was sag' ich! – einen blauen Leibrock und eine schwarze Hose; ich seh ihn noch wie heute, er trug immer gelblederne Beinkleider und Stulpenstiefel – oder war das Fritz Triddelfitz? – Das weiß ich doch wirklich nicht [482] mehr gewiß. – Ja, was wollte ich doch noch sagen?« – »Er kam quer über den Markt herüber«, säden en Stückener drei Stimmen. – »Richtig! Er kam quer über den Markt herüber und kam in die Frau Syndikus ihre Straße, ich war gerade bei der Frau Syndikus, denn die Frau Syndikus wollte mir ihre neuen Gardinen zeigen, sie sind von Jud' Hirschen – nein, ich weiß schon – von Jud' Bären, der neulich erst bankerott gemacht hat. Es ist merkwürdig; mein Mann sagt, alle unsere Juden machen bankerott und werden dadurch nur immer reicher, ein christlicher Kaufmann kann gar nicht gegen die verdammten Juden aufkommen. Wie weit war ich doch noch?« – »Er kam in die Straße der Frau Syndikus.« – »Ja so! Die Frau Syndikus und ich standen grade am Fenster und konnten in die Stube der Frau Pastorin Behrens hineinsehen, und die Frau Syndikus sagte, ihr Mann habe gesagt, wenn die Frau Pastorin es auf einen Prozeß wollte ankommen lassen – nein, nicht die Frau Pastorin – die Kirche oder das Konsistorium oder sonst wer, dann müßte der Herr Pomuchelskopp oder sonst wer ein neues Predigerhaus zu Gürlitz bauen, und die Frau Syndikus ...« –
Äwer de Fru Syndikussen stunn de Geschicht nu all bet an den Hals, sei hadd sick, as sei de Krummhurn taum Vertellen upfödderte, 'ne nüdliche Raud för ehre Ungeduld bunnen, sei föll hir also in de Red': »und da ging er in das Haus der Frau Pastorin und, ohne sich weiter auf dem Flur aufzuhalten, gleich in die Wohnstube, und die alte Frau fuhr vom Sofa auf und machte solche Handbewegung, als müßte sie sich ihn vom Leibe halten, ..."

Montag, 20. August 2012

Nachbarschaft

"In künftigen Zeiten wird, wie man hört, auf dem Erdball eitel Freude und Liebe sein. Die Menschheit wird in wassergrünem und himmelblauem Gewande einhergehen, Sandalen an den Füßen und Palmzweige in der Hand, um dem letzten Haß und der letzten Bosheit Salz auf den Schwanz zu streuen und diese Nachtvögel für das große Museum der Zukunft auszustopfen. Bei solcher Jagd wird man finden, daß das letzte Nest der Unholde zwischen den Wänden zweier Nachbarhäuser hängt. Denn zwischen Nachbar und Nachbar nisten sie, seit der Regen vom Dach des einen Hauses in den Hof des andern rieselt, seit der Sonnenstrahl durch eine Hausmauer der andern vorenthalten wird, seit Kinder die Hände durch den Zaun stecken, um Beeren zu naschen, seit der Hausherr nicht abgeneigt ist, sich selbst für besser zu halten als seine Mitmenschen."
(Gutav Freytag: Die verlorene Handschrift, Buch 1, Kap.2,  S. 22)

Donnerstag, 2. August 2012

Gustav Freytag: Die verlorene Handschrift

In dieser Erzählung schilderte ich Lebenskreise, welche mir seit meiner eigenen akademischen Zeit vertraut waren: die Wirtschaft auf dem Lande und die Universität. Möchte man den Schilderungen ansehen, daß ich hier recht mühelos und froh aus dem Vollen geschöpft habe. Bei den Gestalten der akademischen Welt würde man vergebens nach bestimmten Vorbildern suchen, denn Herr und Frau Struvelius, Raschke und andere sind Typen, denen wohl auf jeder deutschen Universität einzelne Persönlichkeiten entsprechen. [...]
Denn als wir einmal zu Leipzig, noch vor seiner Berufung nach Berlin, allein beieinander saßen, offenbarte er  Moritz Haupt mir im höchsten Vertrauen, daß in irgend einer westfälischen kleinen Stadt auf dem Boden eines alten Hauses die Reste einer Klosterbibliothek lägen. Es sei wohl möglich, daß darunter noch eine Handschrift verlorener Dekaden des Livius stecke. Der Herr dieser Schätze aber sei, wie er in Erfahrung gebracht, ein knurriger, ganz unzugänglicher Mann. Darauf machte ich ihm den Vorschlag, daß wir zusammen nach dem geheimnisvollen Hause reisen und den alten Herrn rühren, verführen, im Notfall unter den Tisch trinken wollten, um den Schatz zu heben. Weil er nun zu meiner Verführungskunst bei gutem Getränk einiges Zutrauen hatte, so erklärte er sich damit einverstanden, und wir kosteten das Vergnügen, den Livius für die Nachwelt noch dicker zu machen, als er ohnedies schon ist, recht gewissenhaft und ausführlich durch. Aus der Reise wurde nichts, aber die Erinnerung an jene beabsichtigte Fahrt hat der Handlung des Romans geholfen.
In Leipzig hatte ich kurze Zeit auf der letzten Straße am Rosental bei einem Hutmacher gewohnt, der in seiner Fabrik [623] Strohhüte verfertigte, neben ihm war zufällig ein anderes wohlbekanntes Geschäft, welches den Bedürfnissen des männlichen Geschlechts durch Filzhüte entgegenkam. Dieser Zufall veranlaßte die Erfindung der Familien Hummel und Hahn, doch auch hier sind weder die Charaktere noch die Familienfeindschaft der Wirklichkeit nachgeschrieben. Nur die Tatsache ist benützt, daß mein Hauswirt besondere Freude daran fand, seinen Hausgarten durch immer neue Erfindungen auszuschmücken: die weiße Muse, die Hängelampen und das Sommerhaus am Wege habe ich dem Gärtchen entnommen. Außerdem sind zwei Charaktere seines Haushalts, gerade die, welche wegen ihres mtythischen Charakters Anstoß erregt haben, genaue Kopien der Wirklichkeit, die Hunde Bräuhahn und Speihahn. Diese hatte mein Hauswirt irgend woher als Wächter seines Besitzes erstanden, sie erregten durch ihr köterhaftes Verhalten den Unwillen der ganzen Straße, bis sie einmal von einem erzürnten Nachbar vergiftet wurden, Bräuhahn starb, Speihahn blieb am Leben und wurde seit der Zeit ganz so struppig und menschenfeindlich, wie er im Roman abgeschildert ist, so daß ihn nach zahllosen Missetaten, die er verübt, sein Besitzer wieder auf das Land geben mußte.
(Gustav Freytag über seinen Roman "Die verlorene Handschrift")

Wann werte ich meine Zeitungsausschnitte aus?

Ich habe jahrzehntelang Zeitungsausschnitte gesammelt, dann Dateien auf dem Computer gespeichert, zunächst für mich selbst, dann für den Unterricht.
Gegenwärtig werte ich Zeitungsartikel für Blogartikel aus, mal für längere, mal stelle ich sie fast nur als Link auf meine Schnipselseite. Mal wird daraus etwas, was man als Unterrichtsmaterial anbieten kann, meist nicht.

Wann komme ich dazu, meine alten Ausschnitte auszuwerten?
Vermutlich erst dann, wenn ich über die neuen Nachrichten wie Fontane sagen kann "Was soll denn der Unsinn?"  Bei ihm war's die letzte Stufe vor dem Lebensüberdruss oder schon der Überdruss selbst.

Vorläufig warte ich mal mit der Auswertung der alten und begnüge mich mit den neuen und dem, was meine Vorfahren für festhaltenswert hielten, aber - warum wohl? - nicht ins Internet stellten.
Ein Blick in die Wikipedia informiert mich, dass ich vor fünfeinhalb Jahren über eine ähnliche Frage nachgedacht habe.

Donnerstag, 9. Februar 2012

Gustav Freytag: Die Ahnen

Gustav Freytag war Literaturwissenschaftler, politischer Journalist, Liberaler und insofern Bismarckkritiker, Dramatiker, Dramentheoretiker, Romancier mit seinem Kaufmannsroman "Soll und Haben", Kulturhistoriker ("Bilder aus der deutschen Vergangenheit") und hat es unternommen, in seinem historischen Roman "Die Ahnen" die germanisch-deutsche Geschichte am Beispiel der Mitglieder einer Familie von der Zeit der Völkerwanderung bis nahe an seine Gegenwart darzustellen.

Dabei beginnt er mit dem Vandalen Ingo aus königlicher Familie, der in Thüringen ein kleines Königreich gründet und endet im bürgerlichen Milieu.

"Freytag beschreibt eine eindeutige historische Entwicklung von der Völkerwanderung bis hin zum "bürgerlich-patriarchalischen Idyll" (Jahn, Werner: Der geschichtliche Fortschritt im bürgerlichen historischen Roman des zwanzigsten Jahrhunderts; Rostock 1958, S.39). Für ihn ist es nur konsequent, wenn die Handlung vor der Revolution von 1848 endet. Der Bürger im wilhelminischen Deutschland ist zufrieden. Man darf allerdings nicht die Rolle dieses Bürgers dem Adel gegenüber unterschätzen. Selbstbewußt und fast gleichgestellt verhandelt der Kaufmann Markus König mit dem Hochmeister des deutschen Ritterordens, Albrecht von Brandenburg. Und gerade mit den "Ahnen" erstellt Freytag seinen bürgerlichen Helden des 19.Jahrhunderts einen Stammbaum bis hin zum vandalischen Königshaus; auf eine derartig lange und noble Ahnenreihe können weder Hohenzollern noch Habsburg zurückblicken (Hartmut Eggert ("Studien zur Wirkungsgeschichte des deutschen historischen Romans 1850-1875, S.202f.) kritisiert gerade die Demonstration des historischen Fortschritts an der Entwicklung eines Geschlechts). [...]

Ein Ergebnis dieser versuchten Objektivierung ist, daß Freytag fast ganz auf die übliche Schwarz-Weiß-Malerei verzichtet; die Feinde, ob es sich um arabische Moslems während der Kreuzzüge oder um einen napoleonischen Offizier handelt, werden mit viel Verständnis und auch Sympathie beschrieben. Dem Roman fehlt völlig die Aggressivität die spätere völkisch-konservative Romane auszeichnet." Frank Westenfelder: "Genese, Problematik und Wirkung nationalsozialistischer Literatur am Beispiel des historischen Romans zwischen 1890 und 1945" Frankfurt, Bern, New York, Paris 1989 - Abschnitt II,2 zu Freytag: Die Ahnen

Im Folgenden werden die Einzelerzählungen oder -romane des Gesamtromans unter dem zusammenfassenden Link "Die Ahnen" vorgestellt.